An der Rechtswissenschaftlichen (REWI) Fakultät gibt es seit 1. Oktober 2016 einen neuen Dekan. Univ.-Prof. Dr. Stefan Storr, zuvor Vizedekan, folgte Univ.-Prof. Dr. Joseph Marko nach, der das Amt zurückgelegt hat, um sich seinen neuen Aufgaben als Rechtsberater des Special Advisor des Secretary General der UNO für Zypern widmen zu können. Stefan Storr ist nun für ein Jahr REWI-Dekan. Welche Schwerpunkte er in dieser Funktion setzen möchte, darüber spricht er im Interview mit Gudrun Pichler.
Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Drei große Aufgaben sehe ich für das kommende Jahr. Die eine ist, dass wir mit dem Ministerium das Projekt „Zukunft Hochschule“ diskutieren werden. Ich hoffe, dass dabei auch die richtigen Weichen für ein Projekt „Zukunft REWI“ gestellt werden. In diesen Diskussionsprozess wird sich nicht nur die gesamte Fakultät einbringen müssen, sondern auch die Berufsvertretungen. Zweitens sollen unsere Forschungsschwerpunkte weiter gefördert werden. Und der dritte Punkt ist, den Service zur Forschungsunterstützung an der Fakultät auszubauen.
Welche Schwerpunkte sollen an der REWI-Fakultät gestärkt werden?
Es gibt die fakultären Forschungsschwerpunkte „Umwelt- und Energierecht“, „Recht und Wirtschaft“, „Menschenrechte, Demokratie, Diversität und Gender“ sowie „Südosteuropa“. Wir haben sehr gute WissenschafterInnen, und auch die Kapazität für richtig gute Forschungsgruppen. Was wir noch tun müssen, ist, unsere Forschungsschwerpunkte in Österreich und auch im Ausland stärker hervorzuheben, damit wir noch mehr wahrgenommen werden. Die Idee ist, dass jede Forschungsgruppe die Gelegenheit bekommt, eine große internationale Tagung zu organisieren, um mit der Crème de la Crème der internationalen Rechtswissenschaften stärker in Kontakt zu treten und dann ein hochwertiges Drittmittelprojekt zu beantragen, mit der Uni Graz und unserer Forschungsgruppe hoffentlich als leading partner.
Ein konkretes Beispiel: Im Jahr 2017/18 wird die Sprecherin des Schwerpunkts Umwelt- und Energierecht, Eva Schulev-Steindl, eine Tagung zum Klimaschutz organisieren. Wir wollen Koryphäen einbinden und gleichzeitig unsere Forschungsgruppe vorstellen und damit auch die Möglichkeit schaffen, gemeinsam einen Drittmittelantrag zu formulieren.
Im Schwerpunkt Recht und Wirtschaft soll eine Tagung zu nudging and information ausgerichtet werden, die von Brigitta Lurger, Tina Ehrke-Rabel, Karl Stöger, Stefan Arnold und mir initiiert wird. Diese Forschungsgruppe hat bereits interessante Projekte, auch mit internationalen Bezügen, die sich interdisziplinär mit Fragen der Verhaltenswissenschaften und der Rechtswissenschaften beschäftigen. Nudging ist ein interessantes Phänomen aus dem Bereich des Soft Law. Soft Law bezeichnet nicht-verbindliche Regeln, im Gegensatz zum Hard Law, dem verbindlichen Recht. Bei Nudging geht es darum, die Menschen nicht mit Ge- und Verboten zu einem Verhalten anzuleiten, sondern ihnen Anreize zu bieten, damit sie etwas freiwillig, vielleicht sogar unbewusst tun. Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf, und wir glauben, dass Behavioral Law ein Bereich ist, mit dem wir uns international profilieren können.
Wie soll die Forschungsunterstützung aussehen, die Sie an der Fakultät aufbauen?
Wir haben erst kürzlich zwei Mitarbeiterinnen aufgenommen, die die Aufgabe haben, uns bei den rechtswissenschaftlichen Zeitschriften, die wir an der Fakultät herausgeben, zu unterstützen. Das sind das Austrian Law Journal und das Review of Central and East European Law. Eine der Mitarbeiterinnen wird uns auch bei der Erarbeitung von Drittmittel-Anträgen, die auf Englisch eingereicht werden müssen, unterstützen. Ich denke, es ist wichtig, dass unsere Anträge auch sprachlich ausgefeilt sind, um unsere Chancen zu stärken und das Beste herauszuholen.
Mit 1. Juli 2016 wurde das neue Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen eingerichtet. Welche Chancen sehen Sie in dieser Institution?
Wir haben vor drei Jahren eine Arbeitsmarktstudie zur Ausbildung an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Auftrag gegeben. Darin wurde diese sehr gelobt, aber es gab auch Wünsche der Befragten, wobei zwei besonders überzeugend waren: erstens ein stärkerer Praxisbezug und zweitens mehr Grundlagenausbildung. Unsere Überlegung war, die Rechtswissenschaftlichen Grundlagen in einer Einrichtung zusammenzuführen und damit neue Möglichkeiten für Forschung und Lehre zu generieren. Darin liegt, glaube ich, ein großes Potenzial, im Forschungs- wie im Lehrbereich und überhaupt in der Entwicklung der Fakultät. Hier schließt sich auch der Kreis zum Projekt „Zukunft Hochschule“: Die Fakultät als eine Einrichtung der Universität möchte in den Grundlagen stärker ausbilden, und wir sind überzeugt, dass nur die Universität das kann. Deswegen wird dieses Grundlageninstitut hoffentlich ein Flaggschiff der Fakultät.
Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig in Ihrer Funktion als Dekan?
Wir an der Universität haben die Aufgabe, im Interesse der Studierenden, des Rechtsstaats und der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung die kommenden Generationen der Juristinnen und Juristen auf höchstem Niveau auszubilden. Die Universität ist der Ort von Wissenschaft und Lehre. Wissenschaft und Lehre sind zwei Seiten einer Medaille. Das eine geht nicht ohne das andere. Rechtswissenschaft – und das meine ich insbesondere auch in Bezug zum Diplomstudiengang – geht eine besondere Symbiose mit der Praxis ein, eine Trennung in einen scientific track und einen stärker am Berufsfeld orientierten professional track gibt es bei uns nicht. Mir ist es wichtig, dass die Rechtswissenschaftliche Fakultät weiterhin Wissenschaft und Lehre auf höchstem Niveau anbietet und die an sie gestellten Aufgaben erfüllt.
Außerdem meine ich, dass die Möglichkeit, sich wissenschaftlich betätigen zu können, ein Privileg ist, und ich glaube, dass man Wissenschaft nur gut betreiben kann, wenn man das gerne macht. In diesem Sinne sehe ich es auch als ein wesentliches Ziel der Nachwuchsförderung, den jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern auf den Weg mitzugeben, dass es bei der Drittmitteleinwerbung nicht nur um die Höhe einzuwerbender Summen geht, sondern darum, vor allem darum, an herausfordernden wissenschaftlichen Fragen zu arbeiten.