Nicht die Grundrechte an sich sorgten bei der Veranstaltung „Menschenrechtsschutz in der EU: Die Umsetzung der EU-Grundrechtecharta in den Mitgliedstaaten“ am 20. Oktober an der Universität Graz für Diskussionen, wohl aber die Frage, mit welchen juristischen Mitteln sie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden.
Nach der Eröffnung durch Univ.-Prof. Dr. Stefan Storr, Dekan der Rechtwissenschaftlichen Fakultät, stellte der Hauptredner, Hon.Prof. Dr. Gabriel Toggenburg, als Senior Legal Expert der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) in seinem Vortrag „Das Leben der Charta auf nationaler Ebene“ die Arbeit der Agentur und den aktuellen Grundrechtebericht 2017 vor.
Ergänzend beschrieb Dr. Markus Möstl vom Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie - ETC Graz in seinem Statement die Arbeit im multidisziplinären Forschungsnetzwerk FRANET, in dem das ETC Graz als Nationale Kontaktstelle Informationsanfragen aus nationaler Sicht beantwortet und die auf Österreich bezogenen Studien und Berichte erstellt. Beide Redner bezogen sich auf die Herausforderungen der Umsetzung von Grundrechten in wirksame und praktische Instrumente, die einen Einfluss auf das tägliche Leben haben, von Toggenburg beschrieben als „breites Tal zwischen dem Berg des Rechts und dem Berg des Alltagslebens“. Bei aller Schwierigkeit, Grundrechtsfortschritte auf formaler Ebene auf konkret spürbare Verbesserungen für die Menschen herunterzubrechen, gab der Experte mit Hinweisen zu Datenschutz und Schutz der Privatsphäre doch sehr konkrete Beispiele für die Auswirkungen des Grundrechtsschutzes auf das tägliche Leben der EuropäerInnen.
Eingriffe in das Alltagsleben des Individuums beziehungsweise die Abwehr von Eingriffen erläuterte Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Folz, Institut für Europarecht, an Hand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und verdeutlichte mit dem Beispiel des Europäischen Haftbefehls die Entscheidungsfindung von RichterInnen in der Abwägung zwischen Grundrechten und nationalem Recht.
Einspruch und etliche Diskussionsbeiträge aus dem Fachpublikum erntete schließlich Univ.-Prof. Dr. Joseph Marko, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft, für seinen pointierten Beitrag, in dem er Grundlagen der Rechtswissenschaft auf Kopf stellte und eine Linie zu den heraufdämmernden Anforderungen eines „global“ oder „cosmopolitan law“ zog.
Als Moderator Ao.Univ.-Prof. Dr. Gerd Oberleitner, Institut für Völkerrecht und UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschliche Sicherheit, schließlich zum Buffet bat, wurden die angeregten Diskussionen im informellen Rahmen noch lange fortgesetzt.
Die Veranstaltung war eine Kooperation des Dekanats der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), des Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (Uni-ETC) und des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (ETC Graz).
Freitag, 27.10.2017